Rainer Fuchs

Anmerkungen zu Michael Zinganel
aus: Secession (Hg.), Michael Zinganel, Katalog zur Ausstellung, Wien 1999


In seinem jüngsten Projekt gestaltet Michael Zinganel ein Haus in den Lüften als schwebendes Luftgebilde, unzugänglich und unbewohnbar, angenabelt an das Secessionsgebäude als einem preziösen Anker des Kunstbetriebes. Das als eine Art figurativer Ballon zum Fenster hinausgehängte "Haus" läßt Erinnerungen an das Drachensteigen aufkommen. Was man selbst nicht vermag, wovon man fatalerweise abgeschnitten ist, nämlich der Schwerkraft zu entgehen, um von oben über die Boden- und damit über die Realitätsgebundenheit als Dilemma zu sinnieren, dafür eignet sich beispielsweise das Drachenspiel. Vom Wind getrieben und so scheinbar mit Leben gefüllt, wird auch Zinganels "Haus" - dem Drachen vergleichbar - zu einer vitalen Identifikationsfigur für seine Betrachter. Wer ein dem "Drachen" vergleichbares "Haus" in die Luft versetzt, der spielt also auf Bezüge und Realitäten an, die am Boden selbst nicht zu haben sind.

Ein Einfamilienhaus mit all seiner ambivalenten Symbolik sowohl für eine geordnete und gesicherte Existenz, wie auch für ein von Erstarrung, Stickigkeit und Kompromissen bedrohtes Leben, ist ein bodenständiges Bezugsthema fürs Zinganels Pseudo-Architektur. Das unter Obhut des windigen Kunstbetriebes flottierende "Luftschloss" als ein Modell des Ephemeren ohne jede Bodenhaftung und konkretes Interieur außer Luft (Helium) ist insofern ein Paradebeispiel "sprechender Architektur", als es in vogelfreier Position auch "Referent" einer schwierigen Beziehung ist: nämlich der des Künstlers und Intellektuellen zu Häuslichkeit und kleinfamiliärer Integrität. Anstatt des hier sattsam bekannte Klischees dieser prekären Beziehung aufzuzählen, nur folgendes: Wer das Einfamilienhaus lediglich als Ort der kleinkarierten und spießbürgerlichen Ruhe- und Verdrängungsbedürftigkeit denunziert, um damit seine eigene moralische Integrität zu feiern, unterliegt im Grunde derselben Simplifizierung wie jene Schwiegermütter, die den Wert oder Unwert ihrer Mitbürger primär an deren untadeliger oder eben auch mangelnder Häuslichkeit bemessen.

Auf der Hand liegt im Zusammenhang dieses gebrochenen Verhältnisses von Intellekt und Häuslichkeit etwa die Frage nach der Notwendigkeit einer Neuformulierung sozialer Lebens- und Kommunikationsformen aufgrund von überlebenssichernden Flexibilitätsgeboten. Mobilität als unverzichtbarer Schwebezustand hätte so bei Zinganel in einem sprichwörtlich entwurzelten Wohnvehikel eine adäquate Metapher gefunden.

Um aber dennoch am Boden der Realität zu bleiben: Zumindest stellt sich von dort aus das Problem, inwiefern der Verzicht auf konventionelle Lebensführung - wie sie das Einfamilienhaus repräsentiert - nicht bloß eine Frage bewußt eingenommener Opposition, sondern zumindest ebenso eine Frage erlittener Ausgrenzung aufgrund eines materiell bedingten numerus clausus ist.



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