Crime does not pay!

Falsch, schreibt Karl Marx, "Verbrechen" zahlt sich sehr wohl aus - Nicht immer für "den Verbrecher" oder sein Opfer, wohl aber für "die Gesellschaft". Denn Marx zufolge produziert "der Verbrecher" nicht nur "das Verbrechen" selbst, sondern auch alle gegen "das Verbrechen" gerichteten Maßnahmen, die Polizei, das Strafrecht, die Strafjustiz und das Gefängnis, sowie alle Formen von Kriminalberichterstattung: ob in den "schönen Künsten", in wissenschaftlichen Publikationen oder in den Massenmedien.

Crime sells! Nicht nur in der Unterhaltungsindustrie, sondern auch in der Planung. Die Angst, die durch reales oder auch nur imaginiertes Verbrechen evoziert wird, bildet sich in unzähligen präventiven bautechnischen, architektonischen und städtebaulichen Maßnahmen ab: in Fortifikationsanlagen gegen die Feinde von außen und Kontrollarchitekturen gegen die Feinde von innen. Aus der Geschichte realer und symbolischer Befestigungs- und Präventionsmaßnahmen gegen "das Verbrechen" ließe sich demnach - so die These - eine Indizienkette zur Neuformulierung der Architekturgeschichte formen.

Das Verbrechen wirkt jedoch weit über die Präventionsmaßnahmen gegen zukünftiges Verbrechen hinaus. In den entfremdeten Lebensverhältnissen in den anwachsenden Großstädten diente die Berichterstattung über das Verbrechen den Massen als Identität stiftender Gesprächsstoff, der die einander Fremden zu einer Gemeinschaft, zu einer "imagined community", zusammenschließt und ihnen vorerst unbekannter Räume zumindest mental zu erschließen hilft (und dabei als Orte des Verbrechens diabolisiert).

Das Buch beginnt mit einer historischen Abhandlung über die Auseinandersetzung von Kunst, Wissenschaft und Massenmedien mit "dem Verbrechen", die zur Mythenproduktion einer "gefährlichen" Großstadt und vor allem zur Diabolisierung der Quartiere der Armen und Zuwanderer maßgeblich mit beigetragen haben. Danach folgen Beispiele, wie diese tradierte Angst vor bestimmten Individuen oder Stadtteilen für die Sicherheitstechnik, Architektur und Stadtplanung produktiv gemacht wurde: Diese Beispiele reichen von alltäglichen Verbrechen und den entsprechenden Präventionsmaßnahmen (von der Verbesserung des Türschlosses bis zur "gated community") bis zu seltenen, außergewöhnlichen Ereignissen wie dem Attentat vom 11. September 2001, deren direkte Folge die sukzessive "Modernisierung" und "Ausdifferenzierung" der Sicherheitstechnik ist.

Der "Verbrecher" ist - in Marx Worten - der Stachel, der den produktiven Kräften "einen Sporn" gibt, der sie unentwegt zu Innovationen antreibt - und dadurch Wachstum garantiert, und zwar mehr als so manch anständigeres Gewerbe.

Allerdings muss dabei "das Verbrechen“ nicht unbedingt im Realen stattgefunden haben, oder real erfahren worden sein, um produktiv zu werden. In einer Riskogesellschaft kann seine mediale Repräsentation (in Massenmedien wie Tageszeitungen und TV) genügen, um produktive Angstgefühle wachzurufen. Und in den neuerdings ausschließlich auf Konsum ausgerichteten Stadtkonzepten können bereits Zeichen von Armut oder Fremdheit ausreichen, um bestimmte Individuen als störend zu empfinden, sie als unerwünscht zu stigmatisieren, sie zu kriminalisieren, und zu deren Kontrolle oder gar Ausschluss wiederum neue verbesserte Techniken zu entwickeln...

Einleitung als PDF zum Download (388 kb)

Das Kapitel "Orte des imaginierten Verbrechens. Wissenschaft, Medien und die Kultur des ›Unheimlichen‹ in der Großstadt" als PDF (550 kb)

zur Rezension auf H-net von Bettina Klix

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